Pesach in der Kleinen Rundschau
In der Kleinen Rundschau kamen Kinder zu aktuellen Themen zu Wort. Auch zu Pesach wurden Beiträge der Kinder veröffentlicht. Hier zwei Exemplare aus dem Jahr 1927 und 1930.
In diesem Sinne: Schöne Feiertage für alle, die feiern!
– Um acht Uhr abends gehe ich schlafen und um 12 Uhr stehe ich auf und setze mich an den Tisch – schreibt Kazio
– Der Tisch ist wunderschön gedeckt. Papi legt eine von der Mama gestickte Decke mit genähten Gebeten auf den Tisch. Papi zieht eine mit Gold bestickte Schürze und eine weiße Mütze an. Auf der einen Seite sitzen Mama und wir, auf der anderen Seite die Brüder und zwei arme Juden, die Papa zu den Feierleichkeiten einlädt. Einmal hat mein Papa einen Soldaten eingeladen. Man musste ihm früher Essen geben, denn er konnte nur bis 12 Uhr außerhalb der Kaserne sein. – schreibt Sara
– Wir essen Merretich, der einem die Tränen aus den Augen treibt. Das ist die Erinnerung daran, dass die Juden damals in Ägypten weinten.
– Früher habe ich nichts verstanden – schreibt Lolek – Ich wusste nur, dass man leckeres Essen isst. Erst letztes Jahr hat mein kleiner Bruder gefragt „kuszjot“ und ich habe nur gelächelt und an Freiheit gedacht, denn ich bin ein Mensch, der die Freiheit liebt.
April 1927
Immer schimpfen sie auf mich im Haus, weil Putzen angesagt ist und ich immer in ein anderes Zimmer ausweichen muss. Am schlimmsten ist, dass ich dann keinen Platz zum Hausaufgaben machen habe, und Mami hat keine Zeit auf meine Fragen zu antworten, sie sagt nur: Geh, nerv nicht (wörtl.: verdreh mir nicht den Kopf) – Hela
April 1930
Die Nächte im Dom Sierot
Der ehemalige Erzieher Wróblewski erzählt:
Ich hatte den Eindruck, dass für mich als Student der Nachtdienst der einfachste und bequemste Job im Waisenhaus war. Wenn die Kinder schliefen, konnte ich in Ruhe lernen. Aber jede Nacht gab es jemanden, der im Schlaf schrie oder weinte, und ich musste aufstehen, um zu sehen, was geschah, und etwas dagegen tun, damit der Rest in Ruhe schlafen konnte. Manchmal stand ich auf eigene Initiative auf, um mir die schlafenden Jungen anzusehen. Ich zog die Decke über einige von ihnen und hob gefallene Kissen auf. Eines Nachts hörte ich neben mir die ruhige Stimme von Korczak: „Wenn sie schlafen, ist es besser, sie nicht zu berühren. Es gab einen Grund, warum sie sich freigelegt haben. Ihnen war einfach heiß. So regulieren die Kinder unbewusst ihre Körpertemperatur.“ Er überlegte: „In all den Jahren habe ich mich gefragt, welcher Teil des Fensters offen sein sollte, um einen konstanten Frischluftstrom aufrechtzuerhalten, ohne dass es in den Schlafzimmern zu kalt wird. Das ist das Problem!“ Er näherte sich dem Fenster mit dem Fensterstab, mit dem er sie geöffnet und geschlossen hatte. Er kehrte zurück und fügte hinzu: „Jetzt ist es Zeit für dich, ins Bett zu gehen. Du solltest dich ausruhen. Ich mag es, den ungezogenen Jungen zuzusehen, wenn sie schlafen – sie sehen aus wie kleine Engel.“
Quelle der Fotos und des Textes: http://jimbaotoday.blogspot.com/2012/10/nights-at-korczaks-orphanage-at.html [Seite betrieben von Roman Wróblewski, Sohn von Herrn Misza]
Korczaks Tagebuch
letzte Seite des Tagebuchs Beispiel einer typischen Seite aus dem Tagebuch, beidseitig bedruckt Siennastraße 6 nach der Deportation Korczaks Brille
Janusz Korczaks Tagebuch wurde von Misza Wasserman Wróblewski (Pan Misza) am Abend des 5. August 1942 in dem leeren Gebäude des Waisenhauses auf der Siennastraße 6 gefunden, nachdem alle Bewohner*innen deportiert wurden.
Herr Misza kam zusammen mit drei weiteren ehemaligen Erziehern des Waisenhauses von seiner Arbeit zurück ins Waisenhaus. Von Korczaks Tisch nahm er handbeschriebenes Papier, seine Brille und weitere Dokumente, und packte sie in zwei Koffer, die sich unter Korczaks Bett in der zweiten Etage befanden.
Die Unterlagen brachte Herr Misza über die Ghettobrücke
auf der Chłodnastraße in die Wohnung von Felek Grzyb auf der Ostrowskastraße,
sprich ins große Ghetto.
Wer genau das Material über die Ghettomauer außerhalb
des Ghettos geworfen hat, daran konnte sich Herr Misza nicht mehr erinnern.
Sieben Tage nach der Deportation des Waisenhauses –
am 12. August – kommt Korczaks Tagebuch und andere Dokumente bei Igor Newerly
auf der anderen Seite der Mauer an.
Am 8. Januar 1943 überbringt Basia Abramow-Newerly
das Material ins Unser Haus in Bielana, wo es in Aktentaschen in einem Versteck
auf dem Dachboden eingemauert wurde.
1943 wurde Igor Newerly durch die Gestapo verhaftet
und war bis zum Ende des Krieges Gefangener in den Konzentrationslagern Majdanek,
Auschwitz, Oranienburg und Bergen-Belsen. Nach seiner Befreiung und Rückkehr
Ende 1945 bittet Igor Newerly Władysław Cichosz aus Unserem Haus darum, die
Dokumente wieder herauszubrechen an die Arbeitergesellschaft der Freunde von
Kindern zu übergeben.
Es dauerte sehr lange, bis das Tagebuch und die anderen Texte veröffentlicht wurden. Teilweise sind sie jedoch erst im Jahr 1988 in Warschau „aufgefunden“ und an Israel übergeben worden.
Quelle der Fotos und des Textes: http://jimbaotoday.blogspot.com/2015/06/pamietnik-dziennik-korczaka-i-jego.html [Seite betrieben von Roman Wróblewski, Sohn von Herrn Misza]